MCP, Agenten und LLMS: Science Fiction oder Realität?

MCP, Agenten und LLMS: Science Fiction oder Realität?

Di. Juni 03 2025

Tron

Im Film „Tron“ aus dem Jahr 1982 wird der von Jeff Bridges gespielte Kevin Flynn in eine digitale Computerwelt transportiert. Dort kämpft er gemeinsam mit dem Programm Tron (gespielt von Bruce Boxleitner) gegen den menschlichen Gegenspieler Ed Dillinger (David Warner) und das sogenannte MCP – das Master Control Program. Ursprünglich als KI-Schachprogramm entwickelt, hat sich das MCP im Laufe der Zeit immer mehr Rechte angeeignet und herrscht schließlich als düstere Kontrollinstanz über die gesamte digitale Welt.

Danach wurde es mehr als vierzig Jahre lang recht still bezüglich der Kombination der Begriffe Künstliche Intelligenz (KI), Programme und MCP. Das hat sich aber in den letzten Monaten mit der Verbreitung generativer KI (Copilot, ChatGPT und Co.) geändert.

Aber keine Angst: Die Möglichkeiten von heute lassen nicht befürchten, dass eine KI seine Reichweite vergrößern will und andere Programme übernimmt… Obwohl, wenn ich so darüber nachdenke… irgendwie schon, aber anders.

Damit ihr die im Moment im Internet herumgeisternden Begriffe Large Language Models (LLM), Agenten und MCP einordnen könnt, werde ich euch erst einmal erzählen, worum es dabei geht.

Large Language Models: Die Basis für moderne Chatbots

Beginnen wir mit den sogenannten Large Language Models (LLM), großen Sprachmodellen, wie sie in ChatGPT oder Microsoft Copilot zum Einsatz kommen. Diese Technologie ist ein zentraler Bestandteil der KI-Revolution, die vor etwa drei Jahren richtig Fahrt aufgenommen hat.

Dank dieser Modelle können wir in natürlicher Sprache mit einem Chatbot kommunizieren, der uns versteht und auf ein enormes Wissensreservoir zugreifen kann. Technisch basieren LLMs auf komplexen statistischen Verfahren, die Eingaben (Prompts) analysieren und daraus die wahrscheinlich passendste Antwort generieren: als Text, als Bild oder sogar als Video.

Warum sind die Chatbots so beliebt? Das ist einfach zu erklären. Mit so einer generativen KI kann ich mit natürlicher Sprache kommunizieren und bekomme Antworten mit auf den ersten Blick sehr vernünftigen Texten.

Aus Sicht vieler Menschen trifft diese Technologie daher genau den Sweetspot zwischen “gefühlter Einfachheit” und “gefühlter Nützlichkeit”. Das ist ein Effekt, den im Verlauf der Menschheit nur wenige Technologien erzielt haben.

Agenten automatisieren Aufgaben

Die Leistung von Chatbots ist schon beeindruckend. Aber im Arbeitsalltag möchten wir nicht immer mit einem neuen Prompt bei Null anfangen. Hilfreicher ist es, wenn die KI direkt mit unternehmensspezifischen Daten arbeiten und bestimmte Aufgaben automatisch übernehmen kann.

Hier kommen sogenannte Agenten ins Spiel (bei ChatGPT heißen sie Custom GPTs, bei anderen Herstellern können sie auch andere Namen haben). Diese lassen sich mit speziellem Wissen und klaren Anweisungen ausstatten, um definierte Aufgaben zu erfüllen.

Ein Beispiel: Ein Chatbot für den Bereich Human Ressources (HR) kann so konfiguriert werden, dass er ausschließlich auf Informationen aus dem Intranet zugreift und nur Fragen zu Karriere und Bewerbung beantwortet. Sobald seine Informationen nicht mehr ausreichen, verweist er an eine zuständige Kollegin oder einen Kollegen. So entlastet er das HR-Team bei Routinefragen.

Autonome Agenten arbeiten automatisch

Bis hierhin läuft die Interaktion noch über einen klassischen Chat: Die Benutzer:innen stellen Fragen – der Agent antwortet. Doch was, wenn die KI von sich aus aktiv wird?

Genau das leisten autonome Agenten: Sie reagieren auf Auslöser und führen anschließend eigenständig Aktionen aus.

Ein autonomer Agent erkennt beispielsweise automatisch eingehende Rechnungen in E-Mails, extrahiert Kundennamen, Rechnungsnummer und Betrag und leitet die Nachricht je nach Kunde an den:die zuständige Sachbearbeiter:in weiter.

Ein anderer Agent erstellt uns jeden Morgen automatisch eine Zusammenfassung der wichtigsten E-Mails vom Vortag und schickt sie uns. Mit ein wenig Kreativität sind hier die Möglichkeiten riesig.

Model Context Protocol: Werkzeuge in der Hand der KI

Das Model Context Protocol (MCP) ermöglicht Agenten die Ausführung noch komplexerer Aufgaben: Es handelt sich um eine standardisierte und herstellerunabhängige Schnittstelle, mit der Agenten eigenständig Informationen aus anderen Systemen abrufen oder dort Aktionen ausführen können.

Ein Beispiel: Ein Agent greift über MCP auf ein SAP-System zu, liest bestimmte Daten aus, analysiert diese aufgrund seines Prompts und führt für jeden Datensatz eine definierte Transaktion im SAP aus. Es arbeitet also genauso wie ein Softwareprogramm, nur dass dieses in natürlicher Sprache formuliert ist.

Solche Integrationen sind keine Zukunftsmusik: SAP integriert MCP bereits aktiv in seine Produkte. 

Zum Beispiel auch die 3D-Software Blender bietet eine MCP-Schnittstelle. Damit können Anwender:innen per Chat ihre lokale Blender-Instanz steuern: zur Vereinfachung, wenn sie nicht alle Blender Befehle und Shortcuts kennen, oder zur Effektivitätssteigerung, wenn sie dem Programm direkte fachliche Anweisungen geben wollen (z.B. „Vergrößere die Ohren bei dem 3D-Modell eines Hasen, das ich gerade bearbeite.“). 

Immer mehr Hersteller entwickeln solche Schnittstellen – nicht nur für große Cloud-Anwendungen, sondern auch für lokale Programme. So können Agenten künftig mit nahezu jeder Software interagieren und Aufgaben für uns übernehmen.

Die nahe Zukunft: Agenten vs. Werbetreibende

Das alles muss man erst einmal sacken lassen, denn die Auswirkungen sind enorm. Wir können Prozesse in natürlicher Sprache definieren, automatisieren und Software fernsteuern. Richtig eingesetzt, können Agenten unsere Arbeit deutlich effizienter machen.

Und es geht noch weiter: Stellen wir uns einmal vor, ich sage einem Einkaufsagenten, dass ich neue T-Shirts brauche. Der Agent sucht selbstständig passende Angebote im Web, legt sie in den Warenkorb und fordert mich nur noch auf, den Kauf abzuschließen.

Zukunftsmusik? Keineswegs. Ich habe solche Prototypen Ende Mai live auf dem European Collaboration Summit gesehen.

Autonome Agenten wie der T-Shirt-Einkäufer haben nun aber auch weitreichende Folgen:

  • Ich war als Nutzer selbst nicht mehr auf der Webseite eines Unternehmens. Das bedeutet: Ich habe dort keine Werbung gesehen.
  • Ich habe selbst nicht entschieden, wo gekauft wird. Das hat der Agent für mich übernommen.

Webseitenbetreiber müssen sich darum fragen, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen:

  • Wenn ich auf meiner Seite Werbung schalten und die Agenten blockieren würde, damit Nutzer:innen die Anzeige sehen, verlöre ich potenzielle Kunden. Sie würden von ihrem Agenten schlicht nie mehr auf meine Seite geschickt. So platziere ich mich quasi selbst auf die zweite Seite der Suchergebnisse bei Google.
  • Wenn meine Seite zwar hübsch aussieht, aber für Agenten schwer lesbar ist, dann werden diese meine Services nicht an ihre Benutzer weiterleiten. Als Webseitenbetreiber muss ich mir daher Gedanken über eine barrierefreie Gestaltung meiner Seite machen (die übrigens jetzt schon für viele digitale Produkte und Services gesetzlich vorgeschrieben ist).Diese fördert u.a. mit strukturierten Daten die Lesbarkeit der Seite.
  • Als Konsequenz wird auch SEO an Bedeutung verlieren. Es wird stattdessen wichtiger, die Inhalte und Daten meiner Website so zu optimieren, dass sowohl Menschen als auch KI-Agenten sie leicht verstehen. So lenke ich mehr Agenten auf meine Seite und damit mehr Benutzer auf meine Webseite.

Der letzte Akt unserer Geschichte

Dies ist nur der Anfang und nur ein Bereich, in dem Agenten in den nächsten Monaten und Jahre gewaltige Auswirkungen haben werden. Sie werden immer mehr Fähigkeiten gewinnen und uns in noch nicht bekanntem Maß Aufgaben abnehmen können.

Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass ein Szenario wie das in “Tron” wahr wird, in dem ein Schachprogramm sich selbstständig alle anderen Programme untertan macht und danach als “Master Control Program” die digitale Welt beherrscht.

So etwas wie das Programm Tron hingegen halte ich für sehr realistisch. Im Film wurden ihm nämlich von seinem Programmierer die Fähigkeiten und der Auftrag übergeben, die Macht des MCP zu brechen und Ordnung in der digitalen Welt wiederherzustellen. Tron ist ein gutes Beispiel für einen Agenten, der in der Lage ist, den ihm erteilten Auftrag eigenständig und mithilfe der ihm zur Verfügung gestellten Werkzeuge auszuführen.